Interview mit Christine Sexton, IT-Heldin der University of Sheffield
Christine Sexton ist eine Pionierin und wahre IT-Heldin, die ihr Berufsleben einer einzigen Universität gewidmet hat.
Als Absolventin der University of Sheffield blieb Sexton auch nach ihrem Abschluss in Genetik an ihrer Alma Mater und stieg von der Verwaltungsleiterin der medizinischen Fakultät zur Leiterin der IT-Abteilung mit Hunderten von Mitarbeitern auf. Wenn man bedenkt, dass sie größtenteils für die Digitalisierung der Universität verantwortlich war, hat es uns ziemlich überrascht, gleich zu Beginn unseres Gesprächs von ihr zu hören: „Eigentlich bin ich gar nicht so technisch begabt!“
Sexton war dabei, als die University of Sheffield von der Papierform auf digitale Systeme umstellte. Sie begleitete die Ausweitung der Netzwerke ihrer Universität, die Einrichtung sicherer Datendienste und schließlich die Migration in die Cloud. Nur wenige Monate nach ihrem Eintritt in den Ruhestand sagt sie jetzt: „Es stimmt schon, dass ich an einigen Neuerungen an der University of Sheffield beteiligt war.“
Mit uns hat sie auf die kalkulierten Risiken zurückgeblickt, die sie im Laufe der Jahre eingegangen ist, um ihre Universität voranzubringen. Wir haben sie auch um einige Tipps für andere Hochschulen gebeten, die bereit sind, ähnliche kalkulierte Risiken für die Digitalisierung einzugehen.
Wie kam es dazu, dass Sie Leiterin der Information and Computing Services an der Universität wurden?
1974 kam ich erstmals als Studentin an die University of Sheffield und habe sie nie verlassen. Nach meinem Abschluss in Genetik, meiner Promotion und einem Postdoktorat stand für mich jedoch fest, dass ich nicht in der Forschung arbeiten wollte. Aber ich brauchte einen Job, also bewarb ich mich 1983 um eine Stelle in der Verwaltung. Dann kam Anfang der 1990er die PC-Revolution. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es in meiner Abteilung nur einen einzigen Computer gegeben, der in einem abgeschlossenen Raum stand. 1994 kamen Leute in mein Büro und fragten mich, ob ich schon mal etwas vom ‚World Wide Web‘ gehört hätte.
Das waren spannende Zeiten und ich war von der Informationstechnologie fasziniert, obwohl ich keine technische Vorbildung hatte. Mich interessierte damals wie heute einfach, was Menschen mithilfe der IT erreichen können. 1996 stellte die Universität ihre Verfahrensweisen um und schuf eine eigene IT-Abteilung, deren Leiterin ich wurde.
Im Laufe der nächsten 20 Jahre vergrößerten sich das Team und sein Aufgabenbereich. Bei meiner Pensionierung bestand die Abteilung inzwischen aus 220 Mitarbeitern, die sich um alles von der IT-Bereitstellung bis hin zum Kundendienst kümmerten.
Welche Entwicklungen haben das Lernen an der Universität während Ihrer Laufbahn am meisten verändert?
Viele meinen, das Internet sei die größte Revolution gewesen, aber das liegt vermutlich nur daran, dass wir dabei waren, als es erfunden wurde. Die Studierenden von heute können sich ein Leben ohne Internet gar nicht mehr vorstellen – sie betrachten es nicht als revolutionär, weil es aus ihrer Sicht schon immer existiert hat. Ich sehe den Mobilbereich als die aktuellste Revolution, weil er auch die IT mobil gemacht hat.
Das Verhalten der Studierenden hat sich dadurch deutlich verändert. Sie arbeiten viel mehr zusammen und legen Wert auf eine Lernumgebung, die ihnen das ermöglicht. Das hat auch die Art und Weise verändert, wie wir im Hochschulwesen lehren.
Mit welchen Schwierigkeiten müssen Universitäten rechnen, die mit der mobilen Technologie mithalten wollen?
Das ist für die Universitäten eine große Herausforderung. Das Netzwerk wird dadurch stark strapaziert – wir mussten unser drahtloses Netzwerk drei- oder viermal wechseln, um Kapazitäten für die Massen an Geräten zu schaffen, über die sich die Studierenden regelmäßig mit dem WLAN verbinden. Obwohl wir nur 25.000 Studierende haben, lässt unser Netzwerk Verbindungen mit 100.000 Geräten zu.
Heutzutage haben Studierende je ein bis drei mobile Geräte dabei und die Leiter der IT-Abteilungen müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie die IT nicht mehr selbst in der Hand haben. Ich habe das schon vor langer Zeit akzeptiert und versucht, der Herausforderung zu begegnen, indem ich mir die Frage gestellt habe: „Warum soll ich als IT-Leiterin bei dem heutigen Angebot an Clouddiensten selbst etwas instand halten, wenn jemand anders das besser und zu geringeren Kosten übernehmen kann?“
Die Entscheidung, den E-Mail-Verkehr, den Kalender und die Dateispeicherung der Universität an einen Cloudanbieter zu übergeben, war logisch und fiel daher nicht schwer. Die Kostenersparnis war aber nicht der eigentliche Grund, weshalb ich die Migration vorangetrieben habe. Ich wollte ein besseres Angebot bereitstellen und meine Ressourcen dort einsetzen können, wo sie gebraucht wurden. Meine Mitarbeiter konnten sich auf diese Weise besser darum kümmern, die Studierenden beim Lernen und die Fakultät bei der Forschung zu unterstützen.
Cloudbasierte Dienste sind unheimlich wertvoll, da sie Ressourcen für andere Aufgaben freigeben, wo sie sinnvoll eingesetzt werden können. Durch die Migration in die Cloud haben wir einen Teil der Arbeit ausgelagert, um uns selbst auf andere wichtige Aspekte zu konzentrieren.
Was hält Universitäten davon ab, in die Cloud zu migrieren?
Ich glaube, viele Universitäten sehen darin ein Risiko, das sie abschreckt. Oft werden Sicherheit und Datenschutz in Frage gestellt und die Verantwortlichen wollen die Kontrolle nicht abgeben.
Wir haben vor unserer Migration in die Cloud den Datenschutz und die Sicherheit evaluiert und konnten deshalb das Risiko einschätzen. Wir haben es in Kauf genommen, da wir ihm vorbeugen konnten. Ich musste immer schmunzeln, wenn jemand zu mir gesagt hat: „Speichern Sie meine Daten bloß nicht in der Cloud!“ Es war ganz schmeichelhaft, dass sie mein Rechenzentrum in Sheffield für sicherer hielten als das von Google oder Dropbox, aber das ist es nicht. Die Sicherheit dieser Unternehmen ist besonders gut, weil sie darauf spezialisiert sind.
Sie haben am Forum für IT Directors der Russell-Gruppe teilgenommen. War die Rolle der Cloud in der universitären Bildung dabei ein Thema?
Die Rolle der Cloud bei der Unterstützung der Forschung ist ein Fokuspunkt der Russell-Gruppe. Forschungsarbeit ist äußerst datenintensiv, und diese Daten muss ein Clouddienst verwalten und speichern können. Universitäten können ihre Daten heutzutage nicht mehr lokal speichern, weil es viel mehr sind als früher – darum ist die Cloud so wichtig.
Hinzukommt, dass das Budget für die IT angesichts schwindender Ressourcen begrenzt ist. Es werden Ressourcen gebraucht, die den Abteilungen mehr freie Zeit verschaffen, und genau das macht die Cloud möglich.
Welchen Erfolg hat Ihre Investition in die Cloud bisher gebracht?
Die Zufriedenheit der Studierenden ist gestiegen – und die ist für eine Universität sehr wichtig. Die Beschwerden haben aufgehört, seit wir auf ein durchdachtes cloudbasiertes Angebot umgestellt haben, und wir haben positive Rückmeldungen erhalten.
Auch das Feedback seitens des Personals ist positiv ausgefallen. Unsere eigenen Server müssen dank der Migration in die Cloud nicht mehr gepflegt werden, sodass mehr Mitarbeiter in Bereichen zur Verfügung stehen, wo die Universität dringend auf Unterstützung angewiesen war. Die Cloud hat es uns ermöglicht, unser Personal viel effizienter einzusetzen.
Wenn eine Universität die Migration in Betracht zieht, würde ich ihr auf jeden Fall raten, die vermeintlichen Hindernisse genauer zu betrachten und zu prüfen, ob sie der Umstellung wirklich im Wege stehen – in den meisten Fällen ist dem nämlich nicht so.