Veraltete Strukturen im Verlagswesen aufbrechen
„Unsere Teams und die dazugehörigen Daten waren völlig voneinander abgeschottet. Wir hatten Analysten in einer Abteilung und Designer in einer ganz anderen. Nichts war zentralisiert. Das machte den Austausch zwischen den Teams schwierig und uneinheitlich. Jetzt sind wir stattdessen in produktspezifischen, zentralisierten Teams organisiert, wodurch wir schneller bessere Produkte liefern können.“ Robert Bridge, Chief Customer Officer, The Telegraph.
Laut dem Edelman Trust Barometer von 2018 ist das Vertrauen in traditionelle Medien nach einem rapiden Anstieg auf einem seit 2012 unerreichten Höchststand. Trotzdem gibt es große strukturelle Probleme in der Medienbranche im Allgemeinen: Viele Menschen reduzieren ihren Medienkonsum und einige meiden die Medien sogar ganz. Das bedeutet, dass Nachrichtendienste und Verlage innovative Wege finden müssen, auf ihre Kunden einzugehen. Kunden, die mit Listen-Artikeln und reißerischen Schlagzeilen zugeschüttet werden, wünschen sich harte Fakten und authentische Geschichten. Die Verlage müssen also zu ihren Wurzeln zurückkehren, sich auf guten Qualitätsjournalismus konzentrieren und dann neue Mittel finden, um die Zielgruppe über alle digitalen Kanäle zu erreichen.
Von außen mag es wirken, als wäre alles beim Alten. Man liest oder schaut die Nachrichten, wie vorher auch. Hinter den Kulissen gab es allerdings erhebliche Veränderungen in letzter Zeit. The Telegraph hat Spezialistenteams zusammengestellt und neue Arbeitsweisen entwickelt, um sich an das veränderte Kundenverhalten und die digitalen Technologien anzupassen. Wir haben mit Robert Bridge gesprochen, dem Chief Customer Officer bei The Telegraph, um herauszufinden, wie das Verlagswesen auf diese veränderten Bedingungen reagiert hat und welchen Rat er für andere Verleger hat, die sich vom Rest abheben möchten.
„Wir wissen schon lange, dass wir uns weiterentwickeln müssen, unsere Branche hat sich einfach erheblich gewandelt“, so Bridge. „Wir befinden uns wahrscheinlich in einer besseren Position als viele andere, weil wir schon einige Zeit diesem Veränderungsdruck ausgesetzt waren, aber das bedeutet nicht, dass der Verwandlungsprozess dadurch spielend leicht geworden ist.“
„Unser neuer CEO, Nick Hugh, hat diesen Prozess von oben angeleitet und uns darin unterstützt, uns bestmöglich auf Daten zu stützen“, erklärt Bridge. „Diese Strategie wurde mittlerweile weiterentwickelt und die hat uns schließlich zu den Wurzeln des Qualitätsjournalismus zurückgeführt. Darauf basierend nutzen wir Daten, um noch personalisierter auf unsere Leser einzugehen. Wir mussten unsere Leser im Endeffekt von passiven Konsumenten zu involvierten, engagierten Kunden verwandeln, denn niemand kann sich mehr auf ein reines Werbe- oder Abo Modell verlassen. Wir brauchen genau die richtige Mischung.“
Um diesen Perspektivenwechsel zu erreichen, mussten die Barrieren zwischen den Teams wegfallen, musste die richtige Kombination von Technologien gefunden und der Datenaustausch innerhalb des Unternehmens vereinfacht werden. „Es gab eine ausgiebige Test- und Lernphase“, sagt Bridge. „Währenddessen haben wir uns die verschiedensten Methoden zur Datenerfassung angesehen und ausprobiert, mit welcher wir am besten Kunden zu Abonnenten machen können. Wir brauchten ein abgestimmtes Modell, und das setzen wir nun durch neue digitale Tools um.“
„Diese Testphase hat uns wertvolle Erkenntnisse zu den zentralen Herausforderungen geliefert, mit denen unsere Teams konfrontiert waren“, so Bridge. „Sie hatten das Gefühl, in ihrem kleinen Datensilo eingesperrt zu sein. Wir hatten Analysten in einer Abteilung und Designer in einer ganz anderen. Nichts war zentralisiert. Das machte den Austausch zwischen den Teams schwierig und uneinheitlich. Jetzt sind wir stattdessen in produktspezifischen, zentralisierten Teams organisiert, wodurch wir schneller bessere Produkte liefern können.“
Diese Problematik tritt in vielen Branchen auf, in denen die alten Arbeitsabläufe nun durch digitale Technologien umgewälzt werden. Zukunftsorientierte Unternehmen etablieren Spezialistenteams und stellen den Kunden in den Mittelpunkt. „Es war nicht leicht, den richtigen Weg zu finden, aber jetzt haben wir Teams, die voll und ganz hinter unserem Produkt stehen und auf den Kunden fokussiert sind“, sagt Bridge. „Diese Spezialistenteams haben unseren Mitarbeitern ermöglicht, auch mal in andere Arbeitsbereiche reinzuschnuppern, und so z. B. auch alternative Laufbahnen eröffnet. Solche Elemente sind für den modernen Arbeitnehmer wichtig und sorgen dafür, dass wir unsere talentierten Mitarbeiter auch in der Zukunft im Unternehmen halten können.“
The Telegraph hat einen langen Weg hinter sich, um diesen Punkt zu erreichen, und die Führungsebene hat dabei viel Motivation und Unterstützung geboten. „Allen die Mission des Unternehmens nahezubringen und sie fest von dieser Idee zu überzeugen, war der wahrscheinlich wichtigste Aspekt dieser Umstellung“, erklärt Bridge. „Wir haben diverse Neuerungen eingeführt wie die völlig transparente und offene Kommunikation mit den Angestellten. Eine Kommunikationsplattform hat dabei geholfen, Nachrichten und Informationen so einfach wie möglich zu teilen. Aber am wichtigsten war, dass unser CEO dabei völlig offen zu uns war und die Änderungen, die wir im Unternehmen umsetzen wollten, persönlich unterstützt hat.“
Wir haben Robert Bridge gefragt, welchen Rat er anderen Verlegern in dieser Situation geben möchte, die vielleicht gerade die ersten Schritte auf dem Weg zur digitalen Transformation gehen oder die ihrem Ziel schon nähergekommen sind. Hier sind seine drei Top-Tipps:
1. Ziel und Strategie
„Sie brauchen immer ein klares Ziel“, betont Bridge. „Wenn Sie nicht wissen, was Sie genau erreichen möchten, werden Sie Schwierigkeiten haben, passende Lösungen zu finden.“
2. Einstellung
„Wie bei allen Veränderungen von Unternehmenskultur und Arbeitsweise muss Ihr Team die richtige Einstellung haben“, sagt Bridge. „Es muss bereit sein, auch mal Opfer zu bringen, und der Veränderung offen gegenüberstehen.“
3. Prozess
„Wenn Sie die richtigen Prozesse einführen, um die Marktreife, Kontrollprozesse und die Entscheidungsfindung zu beschleunigen, haben Sie schon die richtige Grundlage gelegt“, so Bridge. „Mit diesen Leitlinien können Sie als Verleger eigentlich gar nicht mehr so viel falsch machen.“
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