Sind die letzten Tage des Großraumbüros bereits gezählt?
Großraumbüros waren ursprünglich dafür gedacht, ein gleichberechtigtes Arbeitsumfeld zu schaffen, das sowohl Kreativität als auch spontane Zusammenarbeit zwischen Kollegen begünstigt. Fast 60 Jahre nach den ersten Designs zeigen einige Studien, was viele Angestellte bereits wissen: Großraumbüros entsprechen nicht immer diesen hohen Erwartungen, die wir an sie haben.
Wie es soweit gekommen ist
Zwei deutsche Brüder namens Wolfgang und Eberhard Schnelle haben im Jahr 1958 das erste Großraumbüro entwickelt. Damit sollten eigene Büros für Manager und Schreibtischreihen für die Angestellten der Vergangenheit angehören. In dieser neuen Bürolandschaft wurden die Schreibtische funktional nach Abteilungen angeordnet. Durch die Beseitigung physischer Barrieren, so waren sich die Designer sicher, würde ein reger Kommunikationsaustausch zwischen den Angestellten stattfinden.
Weniger als ein Jahrzehnt später erfand Robert Propst, der Geschäftsführer von Herman Miller, die „Cubicle”, auf Deutsch auch unter dem Namen Bürowabe bekannt. Und schon waren die Wände zurück. Propst kritisierte das Großraumbüro als ein Niemandsland, das „Mitarbeiter demotiviert, Talente blockiert und gute Leistungen verhindert.” Er hat die Bürowaben entworfen, um Arbeitnehmer mit Privatsphäre und einem persönlichen Freiraum auszustatten. Leider wurde sein geräumiges, flexibles Design von vielen Unternehmen schon bald durch die deprimierende, aber preiswertere Arbeitskabine ersetzt, wie wir sie vor allem aus US-amerikanischen Büros kennen. In einem Interview von 1998 beschuldigt Propst Unternehmen, seine ursprüngliche Idee zu einem „Höllenloch” verkommen zu lassen.
Inzwischen hatte das Großraumbüro bereits ein Comeback. In einer Umfrage von CoreNet Global (einem Verband für Manager für Unternehmensimmobilien) aus dem Jahr 2013 haben 80 % der Befragten angegeben, dass sie ihre Büros zu Großraumbüros mit mehr Freiräumen umgestaltet haben. Und wieder einmal gab es eine Gegenbewegung. In den vergangenen fünf Jahren sind viele Artikel mit erschreckenden Titeln wie „Tod den Großraumbüros!” und „Großraumbüros – eine der teuflischsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte” erschienen, die das vermeintlich fortschrittliche Konzept kritisieren.
Was sind also die Fehler am Design des modernen Großraumbüros und wie können wir Räume schaffen, die der Vorstellung eines zufriedenen und kooperativen Arbeitsplatzes gerecht werden?
Wo die Fehler liegen
Es liegt in der Natur eines Großraumbüros, dass die Kommunikation mit Kollegen viel direkter abläuft. Sobald man eine Frage hat, kann man einfach zum Schreibtisch eines Mitarbeiters schlendern oder sich einfach umdrehen, um von Angesicht zu Angesicht mit anderen zu reden. Leider kann diese gut gemeinte Ablenkung zu wirklichen Problemen führen.
Zuerst ist da die eingeschränkte Produktivität. Laut einer Studie über entstehende Unkosten wird ein typischer Büroangestellter alle 11 Minuten bei der Arbeit unterbrochen. Noch schlimmer ist, dass er im Schnitt 25 Minuten braucht, um sich wieder voll auf seine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren.
Ohne physische Barrieren kann außerdem die Geräuschkulisse zu einem großen Problem in Großraumbüros werden. Zusammen genommen sind laute Telefongespräche, tratschende Kollegen und der eine Typ, der jeden Nachmittag lautstark an seinen Möhren knabbert, regelrechtes Gift für unser Gehör. Forscher haben herausgefunden, dass der Produktivitätsverlust durch Geräusche im Großraumbüro doppelt so hoch ist wie in Privatbüros. Außerdem reduziert der Geräuschpegel die Fähigkeit, Informationen abzurufen und sogar leichte Rechenaufgaben zu lösen.
Jeder, der schon einmal ein Gespräch mit seinem Arzt von seinem Arbeitsplatz aus führen musste, weiß, wie unangenehm es ist, dass man nicht beeinflussen kann, was man hört – und was andere mit anhören. In einer Studie aus dem Jahr 2013 zum Abgleich privater Kommunikation sagten 60 % der Arbeitnehmer, die in einer Arbeitskabine arbeiten, und die Hälfte aller Angestellten aus den Büros ohne Trennwände, dass das Fehlen einer Schalldämmung ein großes Problem darstellt.
So eine Arbeitsatmosphäre behindert aber nicht nur die Produktivität in Großraumbüros, sie wirkt sich zusätzlich negativ auf die Gesundheit aus. In einer Studie zu Verbindung zwischen Ausfalltagen und Großraumbüros wurde herausgefunden, dass Arbeitnehmer, die in Großraumbüros arbeiten, 62 % häufiger wegen Krankheit ausfallen als solche, die in Privatbüros arbeiten. Und auch die bereits erwähnten Unterbrechungen sind gesundheitsschädigend, denn laut einer Umfrage des International Journal of Stress Management leiden Angestellte, die oft im Arbeitsfluss gestört werden, zu 9 % öfter an den Folgen von Überanstrengung.
Das Büro der Zukunft
Offensichtlich sind Großraumbüros tatsächlich nicht der Nährboden für Kreativität, als der sie ursprünglich gedacht waren. Und da Büroräume teuer sind, scheinen auch Privaträume für jeden Mitarbeiter keine realistische Lösung darzustellen. Effiziente Zusammenarbeit erfordert verschiedene Arten von Räumlichkeiten. Im Harvard Business Review kann man in einem Expertenbericht nachlesen, dass Angestellte am besten allein oder zu zweit Ideen finden und Informationen verarbeiten können, und diese dann in größeren Gruppen ausarbeiten. Für die weiteren Schritte teilen sie sich meistens noch einmal auf.
Zum Glück ist die Lösung unseres Problems sehr einfach. Man sollte lediglich den Büroraum mit unterschiedlichen Arbeitsplätzen ausstatten, die unterschiedliche Arbeitsweisen begünstigen. Das beinhaltet Gemeinschafts- und Konferenzräume für Teamarbeit sowie kleinere, private Räume, in die sich Mitarbeiter zurückziehen können, um sich zu konzentrieren. Das gibt den Angestellten die Möglichkeit, im Laufe des Tages für unterschiedliche Aufgaben zwischen diesen Arbeitsplätzen zu wählen.
Am besten beginnt man bei der Raumgestaltung, indem man mit seinen Angestellten spricht. Wenn Unternehmen verstehen, was ihre Angestellten brauchen, um bestmöglich zu arbeiten, können sie das Büro auch besser gestalten, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Ingenieure, die stundenlang in kleinen Gruppen an Ideen feilen, benötigen andere Räumlichkeiten als Redakteure oder Finanzanalytiker. Hier stellen wir drei Wege vor, wie Sie Ihr Büro an die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter anpassen können:
Privacy Pods. Der wahrscheinlich populärste Trend, der sich von Großraumbüros entfernt, ist eine größere Anzahl an kleinen, privaten Räumen. Privacy Pods sind beispielsweise schallgeschützte Glasräume, die einen ruhigen Rückzugsort bieten, ohne dass das lebhafte Großraumgefühl verloren geht. Dann gibt es da noch die sogenannten „Telefonzellen”, Räume in der Größe eines Schrankes, die Platz für das konzentrierte Arbeiten einer Person oder vertrauliche Besprechungen zu weit bietet.
Sinnvolle Raumaufteilung. Zusätzlich zu einer größeren Anzahl an Privatbüros ersetzen Unternehmen zusehends traditionelle Konferenzräume mit anderen Meetingbereichen. Diese schließen Nischen mit ein, in denen sich Gruppen von drei oder vier Mitarbeitern für ein spontanes Meeting treffen können, und Meetingräume für fünf bis acht Leute, die im Vorfeld gebucht werden oder in denen regelmäßige Besprechungen abgehalten werden können. Außerdem kann ungewünschte Ablenkung verringert werden, wenn man den Raum in verschiedene Bereiche aufteilt. Beispielsweise nach erwartetem Geräuschpegel, sodass Abteilungen mit größerer Geräuschkulisse, wie Absatz und Vertrieb, von ruhigeren Teams getrennt werden. Wenn man Schreibtische, Regale und Pflanzen zur Raumaufteilung einsetzt, können außerdem Störgeräusche und visuelle Ablenkungen reduziert werden.
Keine zugewiesenen Schreibtische. Heutzutage ermöglichen es mobile Kommunikationstools, von überall aus zu arbeiten, sodass man Arbeitsplätze nahezu im gesamten Gebäude schaffen kann. Vielleicht arbeiten Sie gern im anregendem Ambiente eines Cafés oder des Atriums. Oder Sie bemerken, wie frische Luft im Park nebenan einen frischen Wind in Ihre Ideen bringt. Laut dem Architektur- und Designunternehmen Gensler sind „Arbeiter, denen die Wahl gegeben wird, wo und wann sie arbeiten möchten, 12 % zufriedener mit ihrer Arbeit und arbeiten dabei auch noch effizienter.”
Diese Einrichtungen, in denen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, dort zu arbeiten, wo es am besten zu ihren Aufgaben und ihrem Empfinden passt, könnten die Zukunft des Büros sein. Damit können Unternehmen endlich mehr Freiheiten bieten und den Gedankenaustausch zwischen Mitarbeitern fördern, wie es vom ursprünglichen Großraumbüro der 50er Jahre vorgesehen war. Und so würden wir außerdem etwas erhalten, über das wird uns alle einig sein können: einen Arbeitsplatz, an dem alle Angestellten zufrieden arbeiten können.