Podcaster, Geschichtenerzähler und Spaßvogel – Im Interview mit David Rheinstrom von Wondery
David Rheinstrom ist Podcaster, leidenschaftlicher Geschichtenerzähler und selbsternannter Spaßvogel mit einer Stimme, die geradezu fürs Radio gemacht ist. Er hat nicht nur mit erlebt, wie die Podcast-Industrie in den vergangenen zehn Jahren gewachsen ist, er hat sie auch maßgeblich geformt. Wir haben den Moderator von Secrets, Crimes and Audiotape und Radio Drama Revival beim Cannes Lions getroffen und mit ihm über seine Arbeit gesprochen. Er hat uns von seinem ganz eigenen Ansatz erzählt, den er mit seinem Podcast-Netzwerk in Sachen Werbung und Audio verfolgt. Dabei hat er die Höhen und Tiefen des kreativen Prozesses beleuchtet und seine Einstellung zur Podcast-Industrie mitgeteilt.
Zum speziellen Ansatz für Werbung und Geschichten bei Wondery
Was ist die Mission von Wondery – was macht euch einzigartig?
Wondery ist ein Netzwerk von Geschichtenerzählern. Wir wollen zu den besten auf dem Markt gehören, wenn es darum geht, andere zu motivieren und mit inspirierenden Podcasts zu unterhalten, egal ob zu fiktiven oder Sachthemen. Es ist einfach enorm, was sich momentan im Podcast-Bereich abspielt – eine großartige Zeit, um sich kreativ auszutoben!
Was Wondery so besonders macht, ist das Verständnis für die Werbewelt. Sie haben zum Beispiel sehr früh damit angefangen, Dynamic Ad Insertions einzusetzen. Das hat mir gezeigt, dass sie offen für Neues sind und uns Podcastern mehr Freiraum geben, das ist ein riesiger Vorteil für uns. Mithilfe von Dynamic Ad Insertion können Podcaster unter anderem neue Werbeanzeigen ganz unkompliziert in alte Podcasts einbauen. So können wir auch mit einem etwas älteren Angebot noch Einnahmen generieren. Dieser professionelle und nachhaltige Ansatz ist genau das, was die Industrie braucht. Von daher bin ich gespannt, welche neuen Technologien wir als nächstes einsetzen werden!
Wie würdest du Storytelling in the Dark beschreiben? Was erwartet das Publikum bei Cannes Lions?
Hernan Lopez, der Geschäftsführer von Wondery, und ich sind der Meinung, dass Sounddesign in der Werbewelt nicht genug Beachtung geschenkt wird. Wir ermutigen unser Publikum deshalb, sich auf die intime, aufregende, aber auch herzerwärmende Welt des Podcasts einzulassen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Gehör der schnellste Sinn ist – Tonsignale erreichen unser Gehirn viel schneller als Bilder, Gerüche, Geschmack oder Berührungen – wollen wir zeigen, welche emotionalen Effekte Töne hervorrufen können. Und genau aus dem Grund geben wir unserem Publikum auch Augenbinden.
Damit andere Menschen Vertrauen und Zuneigung aufbauen können, muss man ihnen mit Freundlichkeit und Respekt begegnen … Man muss sein eigenes Ego überwinden, um etwas zu schaffen, das größer ist als man selbst.
Zum kreativen Prozess
Was braucht man, um außergewöhnliche, große Ideen zum Leben zu erwecken?
Ich denke Freundlichkeit ist wahrscheinlich das Wichtigste dabei. Wenn man etwas wirklich Großes schaffen will, braucht man Leute, die einem vertrauen und mögen. Und damit wir das Vertrauen und die Zuneigung anderer Menschen gewinnen können, muss man ihnen mit Freundlichkeit und Respekt begegnen. Das bedeutet wiederum, dass man Kritik gegenüber aufgeschlossen sein und sein Ego überwinden muss, um etwas schaffen zu können, das größer ist als man selbst.
Was braucht man, um erfolgreich mit anderen zusammen arbeiten zu können? Vertrauen, gute Laune, gemeinsame Interessen und Essen. Ich habe mal in einer witzigen, aber etwas mürrischen Gruppe von Schreiberlingen für einen tollen Sciencefiction-Podcast gearbeitet. Und etwas, das uns stets zusammen gebracht hat, war das gemeinsame Essen vor den Meetings. Sag niemals Nein zum Catering! Die Stimmung ist ein entscheidender Faktor bei jedem kreativen bzw. geschäftlichen Unterfangen. Falls du dich nicht gut fühlst, kannst du auch nicht gut arbeiten.
Was ist das Schwerste beim kreativen Prozess?
Der erste Entwurf. Der fällt mir immer sehr schwer. Aber sobald ich etwas fabriziert habe, mit dem ich arbeiten kann, geht alles viel leichter von der Hand. Der Entwurf ist sozusagen wie der Ton, den man zum Töpfern braucht, aus dem man überhaupt etwas formen kann. Mir ist es lieber, etwas umzuschreiben, als etwas gegenzulesen. Dabei ist es immer wichtig, auch den ersten Entwurf zu kennen, darauf baut der Rest auf.
Erzählen Sie uns von Misserfolgen und wie Sie damit umgegangen sind. Was tun Sie, wenn Sie mal eine Schreibblockade haben?
Frag! Nach! Hilfe! Wenn ich nicht weiterkomme, rufe ich einen Freund an. Ich denke, es macht keinen Sinn, auf eine leere Seite zu starren und an dem Gewicht der Schreibblockade zu zerbrechen. Ich nutze oft die „sokratischen Fragen”, wenn ich hängen bleibe. Und wenn ich dann gerade dabei bin, dem Freund das Problem am Telefon zu erklären, kommen mir oft schon Ideen für die Lösung. Dieser Freund kann mir dann bestenfalls helfen, der Lösung durch weitere Fragen näher zu kommen. Und das schreibe ich alles ganz schnell auf, bevor die Gedanken wieder weg sind.
Frag! Nach! Hilfe! Wenn ich nicht weiterkomme, rufe ich einen Freund an … es macht keinen Sinn, auf eine leere Seite zu starren und an dem Gewicht der Schreibblockade zu zerbrechen.
Erzählen Sie uns von einer verrückten Idee, aus der am Ende etwas ganz Großes wurde.
Mein bester Freund Dave und ich haben da eine alberne Zwanzig-Fragen-Tradition. Wir denken uns die lächerlichsten, kompliziertesten Szenarien aus und der andere muss sie erraten. Daraus haben wir einen Podcast gemacht. Twenty Questions Tuesday wurde letzten Endes über ein Jahr lang ausgestrahlt. Das war echt ein tolles Projekt. Und auf diese Art kann man auch fast alles über uns und unsere jahrzehntelange Freundschaft erfahren.
Zu Dropbox
Nutzen Sie Dropbox? Und wenn ja, wie fügt es sich in Ihren Arbeitsalltag ein?
Bei Wondery nutzen wir Dropbox einfach für alles. Wenn man mit Tonaufnahmen arbeitet, hat man jede Menge große, unkomprimierte Sounddateien, die man hin- und herschieben muss. Wenn ich ein Voiceover, ein Interview oder Werbung aufnehme, lade ich es in die Dropbox hoch, um es zu versenden.
Wenn Hernan Lopez oder Jeffrey Glaser, President of Content, mir einen Schnitt von einem neuen Hörspiel zeigen möchten, schicken sie mir den Link ganz einfach zu einem Dropbox-Ordner. Ich höre mir die Versionen dann gerne auf meinem Smartphone an, während ich daheim Hausarbeiten erledige.
Zur Zukunft von Podcasts
Sie arbeiten schon seit 10 Jahren mit Podcasts. Welche Veränderungen haben Sie beim Storytelling mitbekommen, sowohl als Kunst, als auch bei Werbefilmen?
Als ich vor zehn Jahren angefangen habe, Hörspiele zu machen, kam ich mir ein bisschen wie ein einsamer Vorreiter vor. Ich hatte keine Ahnung, dass es andere Menschen in den USA gab, die bereits fleißig dabei waren, neue und innovative Inhalte zu produzieren. Ich wusste nicht einmal, dass es eine ungebrochene Begeisterung für Hörspiele in Deutschland, Irland und Großbritannien gab. Ich freue mich, dass ich jetzt weiß, Teil einer internationalen und kreativen Gemeinschaft zu sein, die stets voneinander lernt.
Ich denke, dass Audioformate mit den üblichen Beschränkungen wie „Oh, da ist ja ein Mikro” brechen werden. Bei den meisten Filmen wird die Kamera ignoriert, ich denke, das wird in Zukunft auch bei Hörspielen der Fall sein.
In den USA erleben Hörspiele so langsam wieder eine Art Renaissance. Und auch Geschichten in Podcasts werden zunehmend beliebter. In letzter Zeit werde ich sehr viel dazu befragt. Was in den USA in Sachen Hörspiele übrigens immer mehr ins Zentrum rückt, ist das Mikrofon. Dem Hörer wird also der Vorgang der Aufnahme viel deutlicher gemacht, als wäre man mitten im Geschehen dabei. Deshalb hört man immer mehr Formate wie Überwachungsbänder, Audiotagebücher oder Mitschnitte einer Therapiesitzung. Ich denke, in den kommenden Jahren werden sich mehr und mehr US-Amerikaner an das Format gewöhnen. Dann werden die Hörspiele mit den üblichen Beschränkungen wie „Oh, da ist ja ein Mikro” brechen. Bei den meisten Filmen wird die Kamera ignoriert, ich denke, das wird in Zukunft auch bei Hörspielen der Fall sein.