Dropbox-News — 5 September 2017
Der Mut zum Scheitern in der DNA – Interview mit Adrian Ulrich von der Handelskammer Hamburg
Dies fehlt deutschen Unternehmen, wenn es um Digitalisierung geht. Adrian Ulrich, Leiter des Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt in der Handelskammer Hamburg, gibt Einsichten welche Thematik in der Digitalisierung den deutschen Mittelstand beschäftigt. Von Sicherheitsbedenken über die DNA für Innovation bis hin zur erfolgreichen transformierten Unternehmen werden hier alle Fragen beantwortet.
Anfang des Jahres haben Sie das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg ins Leben gerufen: Was genau macht das Zentrum?
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg ist Teil der Förderinitiative „Mittelstand Digital“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Unter der Leitung der HKS Handelskammer Hamburg Service GmbH und gemeinsam mit der Handwerkskammer Hamburg, der Helmut-Schmidt-Universität, der Technischen Universität Hamburg sowie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften ist das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg zentraler Ansprechpartner für kleine und mittlere Unternehmen bei Fragen und Herausforderungen der digitalen Transformation in der Metropolregion Hamburg. Informieren, Demonstrieren, Qualifizieren, Umsetzen lautet das Programm. Informiert wird auf über 120 Veranstaltungen bis Herbst 2019. Aber nicht nur. Wir möchten den Leuten Impulse, aber auch Platz zum Netzwerken geben, z. B. auf Events mit dem Partner 12min.me Hamburg. Anhand unserer Demonstrationsanlagen können sich Unternehmerinnen und Unternehmer ansehen, wie digitale Technologien – z.B. die intelligente Fabrik mithilfe der RFID-Technologie – ihren Betrieb verändern würden oder eigene technische Lösungen erproben, zum Beispiel eine Steuerungssoftware für ihre Produktion dem Test in der betrieblichen Praxis unterziehen, bevor sie sie für den eigenen Betrieb anschaffen. In unseren Umsetzungsprojekten begleitet das Hamburger Kompetenzzentrum Unternehmen in Digitalisierungsprojekten von der konzeptionellen Ausarbeitung bis hin zur Realisierung – wir entwickeln gemeinsam mit Ihnen Ihren individuellen Digitalisierungsfahrplan und unterstützen Sie bei der Auswahl und Umsetzung geeigneter Maßnahmen.
Am 6. September 2017 findet auf der solutions.Hamburg der Mittelstand 4.0-Tag statt – was können die Teilnehmer mit nach Hause nehmen?
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg wird in diesem Jahr erstmals auf der solutions.hamburg vertreten sein und den Teilnehmern einen ganzen Tag im Zeichen von „Mittelstand 4.0“ anbieten. Dabei stehen Themen wie digitale Geschäftsmodelle, digitale Cloud-Anwendungen, digitale Produktion, digitale Kommunikation, digitale Prozesse aber auch Arbeit 4.0 im Fokus. So berichten beispielsweise die Hamburger Gewinner des bundesweiten IHK-Wettbewerbs „We Do Digital“, wie sie auf ihre digitale Geschäftsidee gekommen sind. Kleine und mittlere Unternehmen können sich informieren, wie sie schrittweise eine digitale Transformations-Strategie entwickeln oder wie im Produktionsbereich bereits vorhandene Maschinen für die Industrie 4.0 umgerüstet werden können. Außerdem spricht Martin Meusburger, Head of Core Enterprise Central & Northern Europe von Dropbox über Cloud-Anwendungen im Mittelstand. Auf unserem Messestand haben Sie die Möglichkeit, sich über das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg zu informieren und mit unseren Experten zu sprechen. Außerdem können Sie die Digitalisierung live erleben, beispielsweise bei der Demonstration einer intelligenten Fabrik.
Welche Frage wird Ihnen im Zusammenhang mit Digitalisierung immer wieder gestellt?
Wir erhalten relativ viele Anfragen zu der Frage, wie insbesondere kleine und mittlere Unternehmen im Zuge der Digitalisierung „loslegen“ sollten. Die Möglichkeiten, aber auch die Schlagworte, die zu dem Thema Digitalisierung fallen, z. B. Virtual Reality, Internet of Things (IoT), RFID, 3D-Druck, cyber-physische-Systeme, Arbeit 4.0, …, scheinen schier grenzenlos. Wir als Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg versuchen hier einen Überblick zu geben und erste Schritte in Richtung Digitalisierung zu begleiten – aber natürlich auch größere Digitalisierungsprojekte zu unterstützen.
Welche Rolle spielt Digitalisierung beim Aufbauen eines guten Geschäftsmodells?
Nicht jedes Unternehmen muss in seinem Markt im Zuge der Digitalisierung gleich ein Disruptor sein, also neue Spielregeln oder neue Geschäftsmodelle einführen, oder wird nicht gleich durch einen Disruptor vom Markt verschwinden, aber man muss sich natürlich Gedanken machen, welche neue technologischen Entwicklungen zu dem Erfolg des Unternehmens beitragen und wie sich die Digitalisierung auf das eigene Geschäftsmodell auswirkt oder welche neuen Marktteilnehmer im eigenen Geschäftsmodell neu agieren/auftreten könnten. Die Digitalisierung ermöglicht natürlich aber auch enorme Chancen für eigene, neue Geschäftsmodelle und um neue Kunden zu gewinnen oder Stammkunden an sich zu binden.
Als einer der Hauptgründe sich nicht zu digitalisieren werden Sicherheitsbedenken genannt. Wird die Digitalisierung im Mittelstand durch Sicherheitsbedenken aufgehalten?
Sicherheitsbedenken spielen eine wichtige Rolle. Rechtliche Rahmenbedingungen, Standards und Regelungen sind für die Unternehmen teilweise unübersichtlich. Hier besteht noch ein großer Informationsbedarf.
Sind die ausgeprägten Sicherheitsbedenken im Deutschen Mittelstand berechtigt oder halten sie die Firmen eher auf international wettbewerbsfähig zu bleiben?
Bezogen auf IT-Sicherheitsbedenken verdeutlichen Ausmaß und Umfang etwa von Cyber-Angriffen, die in den vergangenen Monaten durch die Presse gingen, jedes Mal aufs Neue, dass Cyber-Sicherheit die Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung ist. Die ausgeprägten Sicherheitsbedenken sind daher meiner Meinung nach berechtigt. Es ist aber umso wichtiger, dass sich die Unternehmen durch Information, Aufklärung und die Bereitschaft zum Handeln mit Sicherheitsthemen auseinandersetzen – auch um den Anschluss nicht zu verlieren.
Haben Sie eine Erfolgsgeschichte von einem Unternehmen, das die digitale Transformation geschafft hat?
Es gibt in der Metropolregion Hamburg schon zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die die digitale Transformation geschafft haben. Nehmen Sie etwa die Hamburger Gewinner des bundesweiten IHK-Wettbewerbs „We Do Digital“: mytaxi, mit ihrem Geschäftsmodell, der Bestellung und Bezahlung von Taxis über eine App, oder das Unternehmen Breeze, die eine Cloud-Anwendung zur automatisierten Auswertung von Umweltdaten entwickelt haben. Die Firma Retrobrain, mit ihrem Konzept zur therapeutischen Unterstützung von Pflegebedürftigen mit einer Spielekonsole oder auch Granny Aupair, eine Online-Vermittlung von AuPairs ab 45 Jahren.
Warum stellen mittelständische Unternehmen – trotz dieser Erfolgsgeschichten von transformierten Unternehmen – die Digitalisierung nicht an erster Stelle?
Es fehlen sicherlich an einigen Stellen Informationen, wie erste Schritte in Richtung Digitalisierung aussehen können. Außerdem können natürlich aus neuen, digitalen Lösungen Investitionen, die auch eine gewisse Unsicherheit mit sich bringen, resultieren. Durch die Schnelllebigkeit der Lösungen besteht zudem Unsicherheit, in welche Technologie genau zu investieren ist. Gerade aufgrund der Schnelllebigkeit gibt es aber selten den perfekten Zeitpunkt oder die perfekte Lösung. Daher muss man den Mut zum Scheitern mitbringen, ein Gedanke, der nicht in der typischen DNA deutscher Unternehmerinnen und Unternehmer liegt.